Doppelte Wesentlichkeitsanalyse: Wie funktioniert sie und was bringt sie Ihrem Unternehmen?
Erfahren Sie, warum eine passende Wesentlichkeitsanalyse eine gute Grundlage für Ihre verpflichtende oder freiwillige Nachhaltigkeitsberichterstattung bildet und wie ein geeigneter Prozess für Ihr Unternehmen aussehen kann.
Die doppelte Wesentlichkeitsanalyse als Fundament für den eigenen Nachhaltigkeitsbericht
Wie jedes Haus auch, benötigt ein Nachhaltigkeitsbericht ein stabiles Fundament und einen durchdachten Bauplan.
Genauso verhält es sich mit der doppelten Wesentlichkeitsanalyse. Sie ist Fundament und Bauplan zugleich für eine glaubwürdige Nachhaltigkeitsberichterstattung – und verbindet zwei Perspektiven:
- Financial Materiality (Outside-In): (kurz-, mittel- oder langfristige) finanzielle Auswirkungen (Risiken/Chancen) von Nachhaltigkeitsthemen auf/für das Unternehmen
- Impact Materiality (Inside-Out): (tatsächliche oder potenzielle kurz-, mittel- oder langfristige, positive und negative) Auswirkungen der Geschäftstätigkeit/Aktivitäten des Unternehmens auf Menschen und die Umwelt
Erst im Zusammenspiel beider Sichtweisen entsteht ein stabiles Gerüst. Die doppelte Wesentlichkeitsanalyse bietet Orientierung für die Priorisierung Ihrer Nachhaltigkeitsberichterstattung und die strategische Steuerung in Ihrem Unternehmen.
Doppelte Wesentlichkeitsanalyse für CSRD-berichtspflichtige Unternehmen
Die EU-Kommission hat die EFRAG mit der Überarbeitung der ESRS beauftragt. Die überarbeitete Version wird voraussichtlich bis zum Geschäftsjahr 2027 final vorliegen. Es ist möglich, dass das Vorgehen der überarbeiteten CSRD-konformen Wesentlichkeitsanalyse künftig von den hier aufgeführten Schritten abweicht. Entsprechend planen wir eine Aktualisierung des Prozessleitfadens zur Durchführung einer ESRS-konformen Wesentlichkeitsanalyse.
- Themenidentifikation: Die Identifikation unternehmensrelevanter Auswirkungen, Risiken und Chancen (IROs) kann aus verschiedenen Ebenen bestehen. Führen Sie neben der Analyse interner Dokumente und Daten eine Umfeldanalyse unter Zuhilfenahme objektiver Dokumente durch. Beide Schritte ergänzen einander für die Longlist möglicher Themen. Nachdem Ihr Unternehmen die für sich relevanten Stakeholder identifiziert hat, treten Sie mit diesen in den Dialog um gemeinsam die Liste möglicher Themen weiter auf eine Shortlist reduzieren. Mit dieser verkürzten Liste starten Sie nun mit der Formulierung der IROs. Achten Sie dabei darauf, IROs nach der Art, der Verortung in der Wertschöpfungskette und dem Timing einzuordnen:
- IRO-Bewertung: Die ESRS geben die Kriterien zur Bewertung (ESRS 1, Abs. 45f. und Abs. 51) der IROs vor. Welche Skalenwerte für die Bewertung herangezogen werden, ist Teil des Entscheidungsspielraums Ihres Unternehmens. Verfügt Ihr Unternehmen z.B. bereits über eine Bewertungsmethodik für finanzielle Auswirkungen, können Sie versuchen diese auch im Rahmen der Wesentlichkeitsanalyse anzuwenden.
Die Bewertung kann von unternehmensinternen Expert*innen oder auch unter der erneuten Validierung von Stakeholdergruppen vorgenommen werden. Ist dies geschehen, gilt es die wesentlichen von den unwesentlichen Themen durch die Anwendung eines Schwellenwertes zu fokussieren. Die ESRS geben nicht vor, wann ein „angemessener“ Schwellenwert (ESRS 1, Abs. 42) erreicht ist, die quantitative oder qualitative Auswahl sollte daher gut begründet und dokumentiert werden.
- Identifikation wesentlicher, offenzulegender Informationen: Neben allgemeingültigen Offenlegungspflichten zur Governance und dem Risikomanagement Ihres Unternehmens, sind die weiteren zu berichtenden Informationen abhängig von dem Ergebnis Ihrer Wesentlichkeitsanalyse. Für alle gilt jedoch die Berichterstattung zu Konzepten, Maßnahmen, Zielen und Parametern. Einen detaillierten Überblick über die konkreten Offenlegungsanforderungen finden Sie z.B. in der IG 3 List of ESRS datapoints.
Sie wünschen sich praktische Hinweise für jeden Umsetzungsschritt?
Der DNK-Leitfaden zur Doppelten Wesentlichkeitsanalyse ist hervorragend strukturiert, anschaulich und leicht verständlich. Eine wertvolle, praxisorientierte Arbeitshilfe für unseren laufenden Prozess!
Titus RichartzWieso sich eine doppelte Wesentlichkeitsanalyse auch für die freiwillige Berichterstattung nach VSME lohnt
Auch wenn Ihr Unternehmen nicht direkt von der europäischen Offenlegungsrichtlinie, der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), betroffen ist, bringt die Durchführung einer Wesentlichkeitsanalyse es viele Vorteile mit sich und vereinfacht den nachfolgenden Prozess der Berichterstattung deutlich. Denn es gibt vielfältige Gründe, wieso eine solche freiwillige Analyse dennoch für Ihr Unternehmen relevant sein kann.
Eine Wesentlichkeitsanalyse bietet eine solide Entscheidungsgrundlage, um die wichtigsten Nachhaltigkeitsthemen des eigenen Unternehmens klar zu erkennen und gezielt zu priorisieren. Sie ermöglicht es, Nachhaltigkeit wirksam für die strategische Steuerung im Unternehmen zu nutzen und zeigt Geschäftspartner*innen sowie der Öffentlichkeit, dass das Unternehmen das Thema strukturiert und professionell angeht. Gleichzeitig kann die Analyse wichtige interne Lern- und Optimierungsprozesse anstoßen, die die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens stärken und kontinuierliche Verbesserungen fördern.
Mit der Omnibus-Verordnung werden viel mehr Unternehmen freiwillig nach VSME berichten. Darunter sind auch größere Unternehmen als bisher gedacht. Es ist sinnvoll, die freiwillige Nachhaltigkeitsberichterstattung auf einer Analyse zu basieren und diese auch strategisch im Unternehmen zu nutzen. Bei der kompakten und ressourcenschonenden Durchführung einer 'DWA light' unterstützt unsere Kurzanleitung.
Isabelle KraheBevor Sie in die Wesentlichkeitsanalyse einsteigen, lohnt es sich Folgendes zu beachten:
- Zustimmung der Geschäftsführung einholen
- Projekt- und Themenverantwortlichkeiten festlegen
- Einbindung verschiedener Geschäftsbereiche planen
Anders als berichtspflichtige Unternehmen, deren Wesentlichkeitsanalysen auch der externen Prüfung durch Wirtschaftsprüfende unterliegen, können KMU die Durchführung kompakter und einzelne Schritte weniger umfangreich gestalten:
- Themenvorauswahl: Starten Sie nicht bei null, sondern nutzen Sie bereits vorhandenen Dokumente zur Identifikation möglicher relevanter Themen. Dies können neben internen Quellen auch Branchenleitfäden oder andere externe Quellen sein. In unserer Kurzanleitung finden Sie konkrete Hinweise für frei zugängliche, wissenschaftliche Quellen. Danach starten Sie wie gewohnt damit IROs zu formulieren.
- Verkürzte Stakeholdereinbindung: Statt eine umfassende Analyse verschiedener Quellen durchzuführen, kann ressourcenschonend die Einschätzung ausgewählter Expert*innen für die Bewertung herangezogen werden. Darüber hinaus kann die Stakeholdereinbindung auch fokussieren werden, indem sie diese beispielsweise nur einmalig im Prozess für die Bewertung der IROs einbeziehen.
- IRO-Bewertung: Greifen Sie zu Beginn beispielsweise auf eine einfache binäre (Ja/Nein) Bewertung zurück. Falls Ihr Unternehmen über ein finanzielles Risikomanagement verfügt, kann das bestehende Bewertungssystem übernommen werden.
Eine genaue Beschreibung der einzelnen Prozessschritte finden Sie in unserer Kurzanleitung:
Auch wenn die einzelnen Schritte unternehmensspezifisch erfolgen und es die Möglichkeit gibt, Themen wie die IRO-Bewertung weniger detailliert zu behandeln, empfehlen wir Entscheidungen im Prozess dennoch zu dokumentieren. Denn nur so ist eine dauerhafte Nachvollziehbarkeit gewährleistet.
Denken Sie die Wesentlichkeitsanalyse als iterativen Prozess. Versuchen Sie nicht von Beginn an einen perfekten Prozess umzusetzen, sondern geben Sie sich Raum für Verbesserung – die Wesentlichkeitsanalyse sollte ohnehin regelmäßig überprüft und wenn nötig angepasst werden.